Im Eltern- und Familienalltag kommen oft ganz neue Fragen auf und plötzlich beschäftigen Dich Themen, an die Du vorher niemals gedacht hättest. Das ist eine aufregende Zeit, aber wir verstehen auch, wenn Dir irgendwann der Kopf brummt! Wir bei LILLYDOO wissen, dass dieser Alltag, so wunderschön er auch ist, nicht immer ganz einfach ist. Deshalb sprechen wir mit Expertinnen und Experten über Möglichkeiten, das Familienglück auch in herausfordernden Momenten für alle zu erhalten.
Unsere Expertin Hannah Vasiliadis arbeitet als pädagogische Beraterin und bietet einen Konfliktlöser-Onlinekurs zur Kommunikation mit Kindern an. Die gewaltfreie Kommunikation mit Kindern liegt ihr dabei besonders am Herzen, denn sie hilft nicht nur, Zeit und Nerven zu sparen, sondern stärkt auch die Bindung und das Vertrauen in der Familie. In der LILLYDOO Kolumne spricht sie über die Grundlagen dieses Kommunikationsprinzips.
Die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation
Was sind die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation?
Die gewaltfreie Kommunikation (oder GFK) basiert auf dem Konzept der Gewaltfreiheit von Gandhi. Sie wurde um 1980 von Marshall B. Rosenberg entwickelt. Rosenberg selbst nennt die GFK ein „Konzept für Vertrauen und Freude“.
Die GFK ist viel mehr als eine Kommunikationsmethode. Sie ist eine Art, durch das Leben zu gehen, eine friedvolle Weltanschauung, achtsamer Umgang mit sich selbst und vor allem eine offene und empathische Haltung allen anderen Menschen gegenüber. Im Bereich der Pädagogik ist sie eng verbunden mit der Bedürfnisorientierung und der Bindungstheorie. In der GFK geht man davon aus, dass Konflikte dann gelöst werden können, wenn Menschen es schaffen, sich zu verbinden und empathisch miteinander umgehen können. Wenn Du herausfinden kannst, was Dein Gegenüber gerade braucht, wenn Du gleichzeitig Deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse kennst und Deine großen und kleinen Mitmenschen daran teilhaben lässt. Das passendste Bild, um die Methode der GFK zu beschreiben, ist meiner Meinung nach „sich gemeinsam in ein Boot setzen“. Die Vorstellung, dass Dein Kind und Du gemeinsam in dieser herausfordernden Situation seid und das Ziel habt, gemeinsam und gestärkt daraus hervorzugehen. Und dass ihr euch dabei niemals voneinander entfernt, abwertend sprecht, Du drohst oder strafst.
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Die gewaltfreie Kommunikation in der Anwendung
Wie kann ich die gewaltfreie Kommunikation mit sehr kleinen Kindern umsetzen?
Da die GFK eben nicht nur eine Kommunikationsmethode ist, gibt es nicht den einen Moment, ab dem Du sie sinnvoll nutzen kannst. Sie ist ein Anstoß, Deine grundlegende Einstellung zu verändern. Deshalb lohnt es sich in jedem Fall, wenn Du Dich von Anfang an mit ihr auseinandersetzt. Das Ganze ist allerdings ein Prozess, da die meisten von uns mit der "entfremdenden Art der Kommunikation", wie Rosenberg sie nennt, aufgewachsen sind. Das heißt, man kann das Erlernen der GFK durchaus mit dem Lernen einer neuen Sprache vergleichen. Auch das geht nicht in einem Crash-Kurs, sondern bedarf der intensiven Auseinandersetzung und einiges an Übung.
Fängt die gewaltfreie Kommunikation erst an, wenn man eigentlich schimpfen müsste?
Hier ist die Antwort ganz klar: Nein. Die GFK „wirkt“ immer. Du kannst sie natürlich insbesondere in Konflikten nutzen, um beispielsweise zu deeskalieren, doch Du kannst sie ebenso in harmonischen Momenten nutzen, indem Du beispielsweise auch Deine eigene Freude über die Harmonie kommunizierst und die Gefühle des Gegenübers hinterfragst. „Es macht mir so viel Spaß hier mit Dir zu spielen. Gefällt Dir das auch so gut?“. Wie gesagt, es geht insbesondere um die Verbindung, um das Gemeinsame und um das Verbalisieren und Austauschen von Emotionen – dafür gibt es meiner Meinung nach keine unpassenden Momente.
Was kann ich tun, um gewaltfreie Kommunikation im Alltag umzusetzen?
Um diese Frage zu beantworten, sollte man meiner Meinung nach die beiden großen Missverständnisse in der menschlichen Kommunikation betrachten, die mit Hilfe der GFK aufgelöst werden können:
Wenn mein Gegenüber spricht, bin ich gedanklich bei mir.
Wenn ich spreche, bin ich gedanklich bei meinem Gegenüber.
Zum ersten Punkt: „Sprechen“ kann hier als „Kommunikation“ und jede Form von Körpersprache verstanden werden. Wenn ein Kind weint, schreit oder haut, geht es im ersten Schritt nicht darum, eine Lösung anzubieten oder das Verhalten abzustellen, weil ich davon entweder gerade gestört bin, oder weil ich nicht möchte, dass mein Kind traurig oder wütend ist. Es geht erst mal darum, gedanklich und energetisch beim Kind zu sein. Natürlich kannst Du etwas ältere Kinder in solchen Situationen nach ihren Gefühlen und Bedürfnissen fragen („Was ist passiert, dass Du so traurig/wütend bist? Kann ich Dir helfen? Was würde Dir jetzt helfen? Was wollen wir machen?“). Kindliche Gefühle kannst Du immer in Worte fassen und spiegeln, damit das Kind einen Zugang dazu bekommt („Du bist gerade ganz traurig, das sehe/verstehe ich. Oh, da hat Dich aber etwas total geärgert. Du bist ganz angespannt, ich glaube, Du bist wütend.“). Und egal, wie alt ein Kind ist, ihm ist immer geholfen, wenn es Deine Anwesenheit, Zuneigung und Empathie spürt. („Ich bin bei Dir. Ich bleibe bei Dir. Du bist in Sicherheit. Ich liebe Dich“). Auf diese Weise verbindest Du Dich in der Not mit Deinem Kind.
Egal, wie alt ein Kind ist, ihm ist immer geholfen, wenn es Deine Anwesenheit, Zuneigung und Empathie spürt. Auf diese Weise verbindest Du Dich in der Not mit Deinem Kind.
Zum zweiten Punkt: Wenn Eltern schimpfen (oder auch wenn erwachsene Menschen miteinander diskutieren), werden häufig Du-Botschaften genutzt. („Du hast xy getan und das gefällt mir nicht. Hör auf xy zu tun.“). Sie sind also überhaupt nicht „bei sich“. Da stellt sich die Frage: Was ist Deine impulsive Reaktion, wenn Dir jemand einen Vorwurf macht? Die meisten Menschen fühlen sich angegriffen und reagieren mit Rechtfertigungen, Abstreiten, Rückzug oder Gegenangriffen – und genauso ist es auch bei Kindern. Indem wir Vorwürfe, Drohungen oder Druck aussprechen, erreichen wir in der Regel gar nichts, weil die Beziehungsebene gestört wird und Kinder höchstens aus Angst vor Strafen und Konsequenzen das tun, was wir von ihnen wollen. Verzichten wir auf diese Dinge, konzentrieren uns auf uns und sprechen aus der Ich-Perspektive und nehmen einem potenziellen Konflikt den Wind aus den Segeln. Denn der eigenen Perspektive kann kaum jemand etwas entgegensetzten – auch nicht emotional.
Beim Formulieren von Ich-Botschaften helfen uns die 4 Schritte der GFK:
Beobachtung (Was ist passiert?)
Gefühl (Wie geht es mir deshalb?)
Bedürfnis (Was brauche ich?)
Bitte (Was wünsche ich mir in dem Moment von meinem Kind?
Diese Botschaft solltest Du natürlich immer in eigene und stimmige Worte verpacken und dabei ist auch nicht unbedingt die Reihenfolge oder Vollständigkeit der vier Schritte wichtig. Es soll keine Formel aufgesagt werden! Du könntest aber beispielsweise statt „Hier wird nicht gerannt.“ sagen: „Bitte lauft langsam. Mir ist wichtig, dass ihr gut aufeinander aufpasst.“
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Hat die gewaltfreie Kommunikation Grenzen?
Was mache ich, wenn ich das Gefühl habe, mit gewaltfreier Kommunikation nicht mehr weiterzukommen?
Das kann natürlich passieren. Die GFK ist schließlich kein Zaubertrick. Aber Kinder können auf eine gewaltfreie/einfühlsame Ich-Botschaft häufig deutlich besser reagieren, als auf eine unbedachte Aufforderung oder gar auf Schimpfen, weil sie sie besser verstehen können. Ein weiterer Nebeneffekt: Wenn ich aus meiner Ich-Perspektive sage, was ich möchte und auch einen Grund dafür suche, achte ich viel eher darauf, was ich vom Kind möchte. Wenn ich es selbst nicht erklären kann, wie kann ich dann erwarten, dass mein Kind darauf wie gewünscht reagiert?
Dennoch ist klar, dass Kinder nicht immer hören. In der GFK ist das aber auch nicht das primäre Ziel. Durch diese Art der Kommunikation wird auch in scheinbar „vermasselten“ Situationen die Beziehung gestärkt, weil der Fokus auf dem Miteinander liegt. Das Kind nimmt unbewusst mit: Egal, was passiert, hier ist ein Mensch, dem ich wichtig bin und der sich für mich und meine Emotionen interessiert und mir auch seine eigenen Emotionen anvertraut. Diese Prägung ist meiner Meinung nach unheimlich wichtig für die kindliche Entwicklung.
Übrigens finde ich es je nach Alter des Kindes auch eine Möglichkeit, im Nachhinein gemeinsam zu reflektieren. Du könntest beispielsweise sagen: „Mensch, das ist heute Morgen aber blöd gelaufen. Für mich war die Situation ganz schön anstrengend und ich habe mich geärgert. Es tut mir leid, dass ich so laut war. Wie war es für Dich?“ Auch hier gilt es natürlich, die Wortwahl an das Alter des Kindes anzupassen.
Wie kann ich als Elternteil in der Kommunikation ruhig bleiben, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Kind mich nur provoziert?
Ich mag die Frage nach der Provokation. Häufig ist das ein Argument, um nicht näher auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen. "Es will ja nur provozieren." Oder auch: "Es will ja nur Aufmerksamkeit." Das kann beides absolut gut sein. Die Frage ist aber: Warum provoziert es? Welche Reaktion von mir versucht es zu provozieren? Wozu braucht es dieses Verhalten von mir? Auch hier ist wieder die Einstellung wichtig. Dein Kind testet gerade nur seine Grenzen? Nein, Dein Kind testet die Tragfähigkeit eurer Beziehung. Es will sichergehen, dass Du dableibst, dass Du es liebst, egal was es „anstellt“. Es provoziert, weil es wissen will, wie Du reagierst. Und wenn Du (unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt) mit Liebe und Zuneigung reagierst, ist Dein Kind beruhigt und wird vor allem positiv für die Zukunft geprägt.
Tipps zur gewaltfreien Kommunikation mit Kindern
Hast Du zum Abschluss konkrete Tipps für Eltern, die bewusst in die GFK mit ihrem Kind/ihren Kindern einsteigen möchten?
Viel darüber lesen, die Einstellung verstehen und sich für die Liebe entscheiden. Nach meiner Erfahrung ist der erste notwendige Schritt für die meisten Menschen, Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden. Sich die Frage zu stellen: Warum stören mich bestimmte Verhaltensweisen? Warum wünsche ich mir andere Verhaltensweisen? Wie geht es mir in bestimmten Situationen? Was brauche ich, damit es mir gut geht?
Das fällt Kindern häufig leichter als Erwachsenen, weil dieser Zugang zu den eigenen Gefühlen den meisten Erwachsenen im Laufe ihres Lebens abtrainiert wurde. Durch gut gemeinte Sätze wie „Das ist doch nicht so schlimm.“, haben wir gelernt, dass unsere Emotionen unpassend sind. Spätestens in der Schule beginnt dieser Druck zu funktionieren, der in der Arbeitswelt nur größer wird. Wir verlernen also, sie überhaupt wahrzunehmen. Das heißt, es geht oft nicht darum, wie wir mit Kindern sprechen, sondern darum, uns selbst wahrzunehmen. Das Schöne ist: Wenn ich mir vornehme, eine Ich Botschaft zu formulieren, die eigene Gefühle und Bedürfnisse beinhaltet, muss ich mich selbst erstmal fragen, worum es mir geht. So gewinne ich die Verbindung zu mir selbst und kann auch mein Kind dazu einladen. Denn eines ist mir noch wichtig zu sagen: Kinder kooperieren im Grunde gerne. Sie mögen Harmonie und sind häufig noch deutlich sozialer als Erwachsene. Wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, zu verstehen, warum wir uns bestimmte Dinge von ihnen wünschen, haben sie auch oft Freude daran, mit uns gemeinsam Lösungen zu finden. Wer dazu weiterlernen möchte, dem empfehle ich das Buch „Projekt Giraffentraum“ von Frank Gaschler, für gewaltfreie Kommunikation innerhalb der Familie und natürlich meinen Onlinekurs "Konfliktlöser".
Danke Hannah, für diese schönen Impulse zur gewaltfreien Kommunikation und Konfliktlösung im individuellen Familienalltag!