Spielen mit allen Sinnen und Montessori

Tipps fürs freie Spiel mit Sarah Maria Röckel

Sobald Du ein Baby bekommst, kommen in Deinem Leben ganz neue Fragen auf und plötzlich beschäftigen Dich Themen, an die Du vorher niemals gedacht hättest. Das ist eine tolle, spannende Zeit, aber wir verstehen auch, wenn Dir irgendwann der Kopf brummt!

Wir bei LILLYDOO glauben, dass Du sicher die richtigen Entscheidungen für Dich und Deinen kleinen Entdecker treffen wirst. Aber auch, dass es nicht schaden kann, Dir hin und wieder Rat von Menschen zu holen, die sich täglich mit diesen Fragen beschäftigen und Fachleute auf ihrem Gebiet sind. Deshalb möchten wir in dieser Artikelreihe Expertinnen und Experten die Fragen rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternsein stellen, die uns allen durch den Kopf gehen.

Sarah Maria Röckel ist Kleinkindpädagogin und Expertin für frühkindliche Entwicklung. Für den Concept Store für Kinderspielzeug Kindsgut entwickelt sie Produkte, die es Kindern ermöglichen, mit allen Sinnen und ganz frei zu spielen. Uns hat sie ihre besten Tipps fürs achtsames Spiel verraten.

Spielen mit allen Sinnen

Liebe Sarah Maria, wie sieht „Spielen mit allen Sinnen“ aus?

Eltern sollten Spielzeug nicht nur eindimensional denken, sondern bewusst dazu anregen, dass Kinder ihr Umfeld und Spielzeug mit allen Sinnen erleben. Das bedeutet konkret, dass Bücher eben auch mal in den Mund genommen werden dürfen, Häkelgreiflinge nicht nur erfühlt werden, sondern auch ein rasselndes Geräusch erzeugen können und so weiter. Auch für größere Kinder und anderes Spielzeug gilt dieser Grundsatz. Der Musik, die die Kindergitarre macht, mal mit geschlossenen Augen lauschen oder bewusst die bunten Farben betrachten bringt nicht nur eine große Portion Achtsamkeit in den Alltag, sondern lädt Kinder ein, alle Sinne zu nutzen.

Und was bedeutet „freies Spiel“?

Beim freien Spiel geht es vorrangig darum, Kindern die Möglichkeit zu geben, in einem sicheren Umfeld spielen zu können – ohne dabei einer genauen Anleitung von Eltern oder anderen Bezugspersonen zu folgen. Hierbei können sie ihrer Kreativität und Fantasie freien Lauf lassen. Spiele und Spielzeug können so bespielt werden wie die Kinder es sich vorstellen. Es müssen keine Spielregeln befolgt werden und auch die Zweckentfremdung ist völlig in Ordnung. Ein Teddy kann zum Mikrofon werden oder das Spielauto zum „Baby“, das durch die Gegend geschoben wird. Wir Erwachsenen haben ja oft eine genaue Vorstellung, wie mit bestimmten Dingen gespielt wird. Wenn wir möglichst wenig in das kindliche Spiel eingreifen, geben wir unseren Kindern die Möglichkeit, ihre natürliche Neugierde zu fördern und auszuleben – ganz so wie sie es wollen. Ein weiterer Tipp zum freien Spiel ist, statt auf Spielzeug, auf „Zeug zum Spielen“, also Alltagsgegenstände zu setzen. Oft braucht es nur ein paar Tupperdosen, einen Kochlöffel, die Sockenschublade oder anderes „Zeug“, das man Zuhause hat. Wenn man Kinder lässt, machen sie aus einfachen Alltagsgegenständen mit viel Fantasie ihre eigene Zauberwelt.

Das Montessori-Konzept

Wie kann das Montessori-Konzept diese beiden Ansätze unterstützen?

Beim Montessori-Konzept gibt es den viel zitierten Satz „Hilf mir, es selbst zu tun“. Und diese Mentalität lässt sich eben auch spielerisch umsetzen. Das Prinzip des freien Spiels spiegelt sich auch hier wider, denn es geht viel darum, den Kindern eine sichere Umgebung zu schaffen, in denen sie spielerisch alltägliche Herausforderungen und Aufgaben lösen lernen. Der Montessori Ansatz plädiert daher auch stark für eine kindgerechte Gestaltung des Kinderzimmers (und weiterer Plätze der Wohnung, wie Flur oder Bad). Wenn Spielsachen und auch die Kleidung so verstaut werden, dass das Kind selbstständig drankommt, wird es sich immer öfter auch ohne die Hilfe von uns Erwachsenen alleine anziehen und sich selbst aussuchen, was es gerne spielen möchte.

Auch das Spielen mit allen Sinnen spielt in der Montessori Pädagogik eine große Rolle. Vor allem gemeinsames Musik hören und Musik machen sowie das haptische Entdecken der Umgebung stehen hier im Zentrum.

Was kann ich als Elternteil tun, um mein Kind beim freien Spielen und Erkunden zu unterstützen?

Wie weiter oben schon erwähnt: Für freies Spielen braucht es nicht unbedingt „richtiges“ Spielzeug. Oft entdecken unsere Kinder in Alltagsgegenständen das schönste Spielzeug. Wir Erwachsenen haben oft schon eine genaue Vorstellung davon, mit was unsere Kinder am besten spielen und wie genau auch mit welchem Spielzeug gespielt werden sollte. Wenn wir unserem Kind aber Raum und Zeit geben, sich selbst auszusuchen mit was es gerne spielen möchte, können wir schnell beobachten, mit was unser Kind wirklich gerne spielt. Um die Neigungen und Interessen des eigenen Kindes herauszufinden, ist es daher sinnvoll, früh eine breite Auswahl an Spielzeug anzubieten und zu schauen, mit welchen Alltagsgegenständen das Kind wie umgeht. Daraus kann man dann ableiten, ob als nächstes vielleicht eher ein Ball, eine Rassel oder ein Teddy angeschafft werden sollte.

Ab welchem Alter sollte mein Kind auch mal allein spielen und sich beschäftigen können?

Das sogenannte freie Spiel ist etwas, was jedes Kind auf gewisse Weise bereits von Anfang an macht. Auch das Betrachten der Umgebung oder das in den Mund nehmen der eigenen Hände bei einem 5 Monate alten Baby ist eine spielerische Weise, den eigenen Körper wahrzunehmen. Während sich Kinder unter einem Jahr in der Regel jedoch noch nicht länger als 5 bis 10 Minuten alleine beschäftigen, sind es bei einem 3-jährigen Kind oft schon zwischen 30 und 60 Minuten. Hier gilt, wie bei so vielem was die kindliche Entwicklung betrifft, dass natürlich jedes Kind sein eigenes Tempo hat. Und während das eine Kind besonders gerne malt und bastelt, kann ein anderes Kind sich stundenlang alleine Bücher angucken oder Türme bauen. Mit etwas Zeit und einem bunten Angebot des freien Spiels können Eltern in der Regel gut herausfinden, was das eigene Kind auch mal einen Moment allein beschäftigt. Wichtig ist aber natürlich an zwei Dinge zu denken: Was gestern noch für Faszination gesorgt hat, kann in ein paar Tagen wieder langweilig sein – das ist ganz normal. Kinder lieben es genauso, Neues zu entdecken wie mit Lieblingsspielzeug zu spielen. Der zweite wichtige Punkt: Auch im freien Spiel sollte man Kinder bis zu einem gewissen Alter nie ganz allein lassen. Sprich: Auch, wenn Eltern nicht aktiv mitspielen, könnten sie zum Beispiel auf dem Sofa sitzen und ein Buch lesen, während das Kind allein mit Bauklötzen auf dem Teppich daneben sitzt. So wird der anfangs umrissene sichere Rahmen geboten, den Kinder fühlen – und brauchen, um sich ganz in das freie Spiel fallen zu lassen.

Was sind die Vorteile von „achtsamem Spiel“ im Familienalltag?

Bei einem achtsamen Umgang im Alltag geht es vor allem darum, die Dinge um einen herum mit ungeteilter Aufmerksamkeit wahr zu nehmen. Gerade im trubeligen Familienalltag kann uns das helfen, etwas mehr im Hier und Jetzt zu sein. Wenn wir zum Beispiel gerade dabei sind, mit unseren Kindern auf dem Spielplatz zu toben oder eingekuschelt auf dem Sofa etwas vorzulesen, sollten wir im Moment sein – und nicht dauernd mit den Gedanken zur To-Do Liste abschweifen oder sogar zwischendurch Mails auf dem Handy checken. Zur Achtsamkeit gehört aber auch die Erkenntnis, zu sagen: „Hey der Wäscheberg, der Zuhause auf mich wartet, nervt mich jetzt schon - und deswegen habe ich im Moment schlechte Laune.“ Wenn wir solche Gefühle zulassen und kommunizieren, treten diese mehr und mehr in den Hintergrund. Und dann können wir ganz alltägliche kleine Momente viel bewusster genießen.

Wie funktioniert in diesem Konzept gendersensible Erziehung?

Für viele Eltern ist die genderneutrale Erziehung heute eine Grundeinstellung, die fast alle Lebensbereiche umfasst. Hierbei geht es nicht nur darum, in welchen Farben wir unsere Kinder kleiden. Es geht auch um die Sprache, die wir wählen und um Eigenschaften, die wir unseren Kindern zuschreiben - oder eben nicht. Für mich bedeutet gendersensible Erziehung am Ende aber vor allem, dass mein Kind genauso sein darf, wie es möchte. Es darf die Klamotten tragen, die ihm am besten gefallen, das Träumen, was es möchte und spielen, was ihm gefällt. Daher finde ich es wichtig, immer im Dialog mit unseren Kindern zu bleiben. Wenn wir ihnen zuhören und sie beobachten, dann werden wir schnell wahrnehmen, mit was unser Kind am liebsten spielt und was es besonders begeistert. Konkret hilft es aber, wenn Eltern sich bewusst machen, dass wir gewisse Stereotype im Kopf haben und schneller zu Mädchen sagen, sie sollen stillsitzen und brav sein und sich um den kleinen Bruder kümmern – während Jungs „nun mal toben“, lernen müssen wütend zu sein und so weiter. Hier umzudenken erfordert Einsatz! Mein Tipp ist, sich öfter mal zu fragen: Würde ich das auch so sagen, wenn mein Kind ein anderes Geschlecht hätte? Würde ich dieses Outfit auch für einen Jungen/ein Mädchen kaufen? Melde ich meinen Sohn jetzt zum Fußball an, weil ich weiß, dass er es möchte – oder gehe ich einfach davon aus, dass alle Jungs Fußball lieben? Warum kaufe ich nur für meine Tochter eine Barbie? Muss es das Kinderduschgel in blau mit dem Ritter darauf sein? Diese Liste kann man ewig weiterführen!

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Gendersensibles Spielen

Bei gendersensibler Erziehung ist auch genderneutrales Spielen ein wichtiger Punkt. Wie lässt sich das für Familien im Alltag umsetzen?

Solange wir selbst noch überwiegend auswählen können, womit unsere Kinder spielen, haben wir die Möglichkeit auf genderneutrales Spielzeug zurückzugreifen. Das kann einmal sein, dass man sich für Spielzeug entscheidet, welches farblich nicht die Klischees wie Blau und Rosa bedient - oder eben auch anti-stereotypisch Spielzeug einzusetzen. Puppen sind für jedes Kind ein tolles Spielzeug, genauso wie Autos und Bagger.

Spätestens mit der Kitazeit wird es aber oft schwer, unsere Kinder von Genderklischees und Stereotypen fernzuhalten. Aber das macht vielleicht auch nichts – denn so können wir mit unseren Kindern und unserem Umfeld aktiv in den Dialog gehen und den Status Quo hinterfragen.

Wie viel Spielzeug braucht mein Kind wirklich und wie kann ich durch das entsprechende Spielzeug das freie Spiel/Spielen mit allen Sinnen fördern?

Natürlich kann man nur schwierig eine genaue Zahl nennen, wie viel Spielzeug unsere Kinder wirklich brauchen. Bei vielen lässt es sich sicher mit – „weniger als gedacht“ beantworten. Immer öfter lässt sich beobachten, dass Kinder in vollgestopften Kinderzimmern sitzen und vor lauter Auswahl überfordert sind und gar nicht spielen möchten. Hier lohnt es sich, einfach mal folgendes auszuprobieren: Alles Spielzeug kommt in Boxen, die dem Kind unzugänglich aufbewahrt werden. Jede Woche werden einige Spielzeuge herausgenommen und ins Kinderzimmer gestellt. Dann rotiert man durch – stellt aber immer nur einen Teil des gesamten Spielzeugs zur Verfügung. Dann sieht man oft, dass bereits für Kinderspielzeug gilt „weniger ist mehr“.

Eine weitere Faustregel lautet: Wenn man versucht, verschiedene Formen des Spielens (Puzzle, Zubehör für Rollenspiele, klassische Brettspiele, Puppen und Kuscheltiere, Malsachen et cetera) abzudecken und mit diesem Spielzeug auch verschiedene Sinne anspricht, dann ist man ganz gut ausgestattet. Um freies Spiel zu fördern, ist das wichtigste, den Kindern im Alltag genug freie Zeit einzuplanen, in der sie ganz allein entscheiden können mit was sie sich beschäftigen möchten – vom Spielzeug bis hin zu Alltagsgegenständen.

Liebe Sarah Maria, vielen Dank für die hilfreichen Tipps und Inspirationen zum achtsamen Spiel! Jedes Kinderzimmer sieht anders aus und wir bei LILLYDOO wissen, dass niemand von heute auf morgen alles umkrempeln kann – das muss auch nicht sein! Aber vielleicht konntest Du ja ein paar Ideen mitnehmen, wie ihr gemeinsam frei und schön spielen könnt. Wir wünschen viel Spaß dabei!

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